Sportlerbetreuung: Fußballer als spannende Zielgruppe

Der VBG-Sportreport 2024 hat wieder einmal gezeigt: Gerade im Fußball drohen durch Verletzungen viele Ausfälle, sportliche Rückschläge und finanzielle Einbußen. Deshalb setzen immer mehr Mannschaften auf die Unterstützung externer Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler. Dies eröffnet für Physiotherapie-Praxen und Rehazentren ganz neue Chancen. Wer sich auf die Bedürfnisse dieser Sportart in Verletzungsprävention und Reha spezialisiert, kann Fußballer als interessante Zielgruppe gewinnen.

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Zu den häufigsten Verletzungsarten im Fußball zählen:

  • Knieverletzungen, in erster Linie vorderes Kreuzband, Innenband und Meniskus
  • Sprunggelenksverletzungen, vor allem das klassische Inversionstrauma („Umknicken”, also Verletzung der Außenbänder am Sprunggelenk)
  • Muskelverletzungen, vor allem Muskelfaserrisse

Progressive Belastungssteigerung und gute Kommunikation

Je mehr sich eine Fußballerin oder ein Fußballer nach Verletzung der Rückkehr auf den Platz nähert (Return to sports), desto wichtiger ist es zu wissen, was die betreffende Struktur aushalten muss, damit die Person wieder unbeschwert kicken kann, ohne den Körper einem weiteren Verletzungsrisiko auszusetzen. „Progressive Belastungssteigerung ist der heilige Gral in der Sportlerreha”, betont Pascal Weis. „Wenn die Leute drängeln: ‘Wann darf ich wieder zurück in den Verein? Wann darf ich wieder aufs Spielfeld?’, dann müssen wir als Therapieprofis manchmal bremsen. Denn unser Interesse ist immer die Gesundheit des Sportlers, wogegen für den Verein meist der sportliche und wirtschaftliche Erfolg im Mittelpunkt steht. Gerade wenn es um Vertragsverhandlungen geht oder ein Verein in einer prekären Situation ist, werden medizinische Empfehlungen schnell über Bord geworfen.”

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Welche Qualifikationen braucht es für die Physiobegleitung im Fußball?

Im Grunde ist jeder ausgebildete Physiotherapeut in der Lage, auch Sportlerinnen und Sportler zu behandeln. So gehört beispielsweise die Betreuung nach einer Knie- oder Sprunggelenksverletzung zum täglichen Geschäft. Der große Unterschied aber: In der normalen Physiotherapie ist das Ziel, den Patienten wieder zurück in den Alltag zu bringen. In der Sportlerbetreuung dagegen geht es darum, die Person zu betreuen, bis sie wieder bei möglichst 100 Prozent ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit ist. „Jemanden fit für den Fußballplatz zu machen ist ein ganz anderer Fokus als jemanden nur zum Gehen zu bringen”, betont Pascal Weis.

Um sich als Experte oder Expertin in einer bestimmten Sportart zu etablieren, ist eigene Erfahrung sehr hilfreich. Darüber hinaus empfiehlt sich eine Weiterbildung in Sportphysiotherapie, die man auch berufsbegleitend absolvieren kann. „Das macht Sinn, weil die normale physiotherapeutische Ausbildung oft da aufhört, wo der Sport anfängt”, erklärt Weis. „In der Weiterbildung zum Sportphysiotherapeuten bekommt man Handwerkszeug und Tools an die Hand, um den Prozess zurück in den Sport besser zu steuern.”

Ganz zentral sind bei Sportverletzungen die drei Phasen der Rehabilitation. Diese sollte man als Physio genau kennen und voneinander abgrenzen können (mehr dazu finden Sie hier):

  • Return to activity
  • Return to play
  • Return to competition

Umfangreiches Spezialwissen zu einzelnen Verletzungstypen im Fußball bietet der kostenlose Online-Kurs zum FIFA-Diplom in Fußballmedizin. Das Angebot für Fachkräfte im Gesundheitswesen hat zum Ziel, häufige fußballbezogene Verletzungen und Erkrankungen zu vermeiden, zu diagnostizieren und zu behandeln. Die 42 Module wurden von renommierten internationalen Experten entwickelt und können auch einzeln absolviert werden. Darüber hinaus findet man auch bei anderen Anbietern Fortbildungen zur Nachbehandlung einzelner Verletzungen wie etwa Kreuzbandriss sowie Kurse und Weiterbildungen zum Thema Return to sports.

Eine große Bandbreite der unterschiedlichsten Übungen und Bewegungsabläufe sowie jede Menge Spaß bieten Tools, die multidirektionale Bewegungen unterstützen, wie etwa die D-Wall. Sie ermöglicht auf 9 m² sensorgestützte Tests und vielseitiges Feedbacktraining für die unterschiedlichsten Bewegungsabläufe. Der Sportler oder die Sportlerin trainiert in virtuellen Umgebungen und erhält auf einer Videowand sofort in Echtzeit ein Feedback auf die Bewegungen. Auf Basis der Messergebnisse lassen sich dann für jede Person und jede Zielsetzung individuelle Programme zusammenstellen – von Muskelkräftigung und Koordinationstraining über die Verbesserung von Gelenkmobilität, Körperhaltung und Gleichgewicht bis hin zum Funktionstraining mit spielerischen Elementen.

Das Runde muss ins Eckige: So finden Physios und Fußballer zusammen

Wie schon gesagt: Der Bedarf an guten Physiotherapeuten ist bei Fußballvereinen groß. „Der Großteil der Sportler, die wir betreuen, kommt aus dem Amateurbereich”, stellt Pascal Weis fest. „Manchmal gibt es Kooperationen mit Vereinen, in den meisten Fällen aber kommen die Sportler nach Verletzung mit einem Rezept vom Arzt oder als Privatzahler zu uns. Qualität setzt sich letztendlich immer durch, und wer gute Arbeit an der Bank und auf der Trainingsfläche abliefert, wird früher oder später auch von Sportlern in der Umgebung wahrgenommen.”

Ein anderer Weg kann es sein, sich proaktiv an Fußballvereine zu wenden und zunächst die Betreuung beim Training und/oder Spiel anzubieten. Die Konzepte, die Therapeutinnen und Therapeuten für Fußballteams erarbeiten, sind dabei so unterschiedlich wie die Vereine selbst – eine interessante Arbeit also. Zwar winkt im Amateurbereich nicht das große Geld, man kann aber wertvolle Erfahrungen sammeln, was dann möglicherweise den Zugang zu höheren Ligen ebnet. Außerdem kann man die Spielerinnen und Spieler durch guten Kontakt als Patienten für die eigene Physiopraxis gewinnen. Mit der Zeit verändert die Arbeit mit Sportlern und Vereinen auch den Patientenstamm und damit den Arbeitsalltag der Physios, so Pascal Weis: „Der Rehaprozess bei akuten Sportverletzungen ist etwas ganz anderes als mit chronischen Rückenpatienten an der Bank zu stehen.”

Veröffentlicht am 22.01.2025