Viel mehr als „Return to sports”: Professionelle Sportlerbetreuung kann für Physiotherapeuten ein interessantes und lukratives Betätigungsfeld sein. Auch kleinere Praxen können in diese Spezialisierung einsteigen – vorausgesetzt, sie verfügen über das notwendige Knowhow und das passende Equipment. Lesen Sie, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Geräte Sie brauchen, um Freizeit- und Leistungssportler als Zielgruppe für Ihre Praxis zu erschließen und langfristig zu halten.
Das Schlagwort „Return to sports” ist in aller Munde – und damit die Frage, was Sportlerinnen und Sportler brauchen, um nach einer Verletzung oder Erkrankung wieder fit und leistungsfähig zu werden. Physiotherapie spielt bei der Rekonvaleszenz meist eine zentrale Rolle, doch nicht alle Athleten erhalten die Behandlung, die den Anforderungen ihrer Sportart gerecht wird. Hier besteht also großer Bedarf – gerade auch in den unteren Leistungsklassen.
Fundierte Expertise als Basis professioneller Sportlerbetreuung
Um mit einer Physiopraxis in die Sportlerbetreuung einzusteigen, braucht es nicht zwangsläufig ein Zentrum mit großem Gerätepark. „Man kann auch in einer kleineren Physiopraxis Sportler gut und professionell betreuen”, sagt der Sportwissenschaftler Volker Speckenbrink, der in seinem Physio- und Sporttherapie Zentrum (PSZ) in Großkrotzenburg auch Sportlerinnen und Sportler zum Kundenkreis zählt – vom Freizeitfußballer bis zur Profihochspringerin. Allerdings ist echte Expertise gefragt, um Athletinnen und Athleten sportartgerecht zu begleiten. Manuelle Therapie, Lymphdrainage und Massagen reichen nicht aus, denn jede Sportart hat ihre besonderen Anforderungen und Ziele.
Mit der abgeschlossenen Ausbildung zum Physiotherapeuten sind Physios grundsätzlich befähigt, auch Sportler nach Verletzungen zu behandeln, und wer sich für Sportlerbetreuung als Spezialisierung entscheidet, ist ja normalerweise auch sport-affin. Hilfreich ist auf jeden Fall eine Fortbildung zum Sportphysiotherapeuten, um Freizeit- und Leistungssportler präventiv, regenerativ und rehabilitativ zu unterstützen. Unverzichtbar sind auch gute Kenntnisse in Krankengymnastik am Gerät (KGG). Außerdem empfehlen sich Fortbildungen in Sachen Athletiktraining und Gewichtheben, und man sollte in der Lage sein, freie Übungen gut anzuleiten. Als Basis für gute Diagnostik sollte man geeignete Testbatterien kennen, also Kombinationen von Einzeltests, mit denen sich die Fitness- und Leistungsmerkmale von Sportlern bewerten lassen. Beispielsweise hat die Berufsgenossenschaft VBG für bestimmte Verletzungen Testabläufe festgelegt, an denen Physios sich orientieren können.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich mit dem Anforderungsprofil der jeweiligen Sportart auseinanderzusetzen: Was genau muss der Sportler oder die Sportlerin können? Wie wird in dieser Sportart trainiert? Was sind die typischen Bewegungsabläufe, etwa bei Volleyball oder Fußball, beim Hochsprung oder Kugelstoßen? Volker Speckenbrink empfiehlt, sich auf jeden Fall auch mit Training und Trainingssteuerung auseinanderzusetzen. Da dies recht zeitaufwändig ist, kann es sinnvoll sein, über eine Spezialisierung auf verwandte Sportarten nachzudenken. Größere Praxen und Rehazentren arbeiten in der Sportlerbetreuung gern auch mit Sportwissenschaftlern zusammen.
Auch Freizeitsportler und Amateure brauchen gute Betreuung
Sportlerinnen und Sportler kommen in die Physiotherapie meist mit dem Ziel, schnell wieder auf dem Platz zu stehen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Physios ist jedoch, weiteren Verletzungen vorzubeugen. „Es geht auch in den unteren Klassen heftig zur Sache – zum Beispiel im Fußball”, sagt Volker Speckenbrink. „Da wird gern mal ein Muskelfaserriss bagatellisiert und die Leute gehen unvernünftig früh wieder auf den Platz, weil es keinen großen Kader gibt. Dann kommt es zur Re-Verletzung und damit dauert das Ganze noch viel länger. Wenn Sportler sich zu früh wieder zu stark belasten, geht in den niedrigen Klassen tatsächlich mehr schief als in der Bundesliga.”
Wichtig ist deshalb auch bei kleinen Praxen, dass sie die Tests, die sie machen können, auch wirklich konsequent durchführen: „Man muss den Sportlern qualifiziert sagen können, wann sie die nötigen Parameter erreicht haben, um wieder voll trainieren oder in den Wettkampf gehen zu können – und das muss man dann auch den Verantwortlichen im Verein klarmachen”, so der Sportwissenschaftler. Ein Vorteil langfristiger Begleitung ist demnach, dass man die Stärken und Schwächen der Athleten kennt und immer wieder auf Vergleichswerte zurückgreifen kann.
Kraftgeräte als Basis für die Sportlerbetreuung
Natürlich braucht eine Physiopraxis, die sich kompetent der Sportlerbetreuung widmen möchte, auch eine professionelle Ausrüstung. An erster Stelle stehen hierbei Geräte für die Kraftmessung, etwa aus der proxomed-Gerätelinie compass 600. Sie ermöglichen neben differenzierten Krafttests auch ein software-gesteuertes Feedback-Training für die unterschiedlichen Körper- und Muskelbereiche – inklusive Kurvensteuerung durch die innovative Software proxoforce. „Besonders wichtig ist hierbei die Vergleichbarkeit der Messungen, um Fortschritte oder auch Rückschritte sehr genau verfolgen und gegebenenfalls ausgleichen zu können”, betont Speckenbrink. Im Idealfall koppelt man Kraftmessungen noch mit Elektromyographie (EMG). Dadurch lässt sich feststellen, ob der Muskel durch die Nerven korrekt angesteuert wird.
Da bei vielen Sportarten Sprunghöhe und -kraft eine zentrale Rolle spielen, empfiehlt sich für die Sportlerbetreuung auch eine Kraftdruckmessplatte, mit der sich die unterschiedlichsten Parameter wie etwa Kraftimpuls, Kraftstoß, Kraftvektoren oder Kraftentwicklungsrate (rate of force development) messen lassen.
Laufbandanalysen und Sprinttests
Besonders bei allen Laufsportarten, aber auch bei Fuß- und Handballern spielen Analysen auf dem Laufband eine zentrale Rolle. Ein software-unterstütztes Laufband wie etwa die Geräte von h/p/cosmos kann zum Beispiel wertvolle Hilfe leisten, um bei einer Bänderüberlastung genaue Ursachenforschung zu betreiben. So lässt sich bei einem Patellaspitzensyndrom genau untersuchen: Wie arbeiten die Ketten zusammen? Gibt es eine Fehlbelastung, steht etwa das Becken zu weit vorne? Sinkt der Sportler zu tief ein? Wo genau liegt das Belastungsrisiko?
Auch Lichtschranken sind vor allem bei Laufsportarten wichtig. „Wenn man wirklich professionell mit Topsportlern arbeiten will, muss man Geschwindigkeiten, Abbremsphasen und auch Rechts-/Links-Bewegungen sehr exakt messen können”, betont Volker Speckenbrink. „Es geht vor allem darum, beispielsweise Sprinter oder Fußballer keinen zusätzlichen Risiken durch Überlastung auszusetzen. Dazu braucht man sehr differenzierte Messdaten; eine Handstoppuhr ist da einfach zu ungenau.”
Die drei Phasen im Return to sports
Wer als Physiotherapeutin oder -therapeut Sportler nach Verletzungs- oder Krankheitsphasen wieder an den Sport heranführen möchte, sollte die drei Phasen des Return to sports kennen:
- Return to activity: In dieser ersten Phase gilt es nach einer Verletzung mit oder ohne Operation zunächst Schwellungen und Reizungen zu reduzieren und die Beweglichkeit in gewissem Rahmen wieder herzustellen.
- Return to play: Ist der Return to activity durch Tests ausreichend belegt, geht es mit sportartspezifischen Bewegungen und Kraftaufbau weiter. Das Training wird sukzessive intensiviert, bleibt aber deutlich unter Wettkampf-Niveau.
- Return to competition: Nach ausführlichen, an die Verletzung und die Sportart angepassten Tests kann die Sportlerin oder der Sportler sich wieder Wettkampfsituationen aussetzen.
Isokinetik: Der Goldstandard in der Sportphysiotherapie
Als Goldstandard für hochprofessionelle Kraftmessung und -steuerung gilt die Arbeit mit isokinetischen Test- und Trainingssystemen wie dem Biodex System 4. Damit lässt sich schon sehr früh nach einer Verletzung feststellen, wie weit die einzelnen Muskeln belastbar sind. Gerade in der Athletenbetreuung ist ein Isokinet ein großes Plus, da man je nach Sportart die Kraftdezite der Muskeln in ganz bestimmten Positionen oder Belastungssituationen isoliert messen sowie auch die Kraftentwicklung sehr genau feststellen und trainieren kann. Wie Sie Isokinetik in der Praxis einsetzen können, erfahren Sie hier.
In der Anfangsphase der Rehabilitation ist Antischwerkraft-Training auf dem AlterG, eine wertvolle Hilfe, damit sich durch Gehen mit geringer Belastung der korrekte Bewegungsablauf möglichst schnell wieder einschleift. „Wir gehen mit den Sportlern nach einer OP so schnell wie möglich aufs AlterG, das ja auch Informationen über Schrittlänge und Bodenkontaktzeit gibt”, sagt Volker Speckenbrink. „So können wir mit geringerem Körpergewicht eine Gangnormalisierung erreichen – die Basis für jedes weitere Training. Auch um zu sehen, ab wann man die Belastung wieder steigern kann, ist das AlterG perfekt.”
Natürlich braucht eine Komplettbetreuung von Sportlern und Sportlerinnen – von der Leistungsdiagnostik über die Trainingsbegleitung bis hin zur Reha bei Verletzungen – eine Menge Zeit und Einsatz. Dafür birgt sie für Physiopraxen auch ein großes Potenzial, da immer mehr Sportvereine professionelle Kooperationspartner suchen. Auf lange Sicht dient die Sportlerbetreuung als Kundenbindungsinstrument und auch als Werbung nach außen. Denn die zusätzliche Expertise fließt natürlich auch in die Arbeit mit anderen Patientinnen und Patienten ein.