Moderates Gerätetraining ist ein Mittel der Wahl, um den Körper nach einer Corona-Erkrankung wieder fit zu machen. Dies gilt insbesondere für Menschen mit Long-Covid, die sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining benötigen, um wieder zu Kräften zu kommen. Dabei empfiehlt es sich, auch atemtherapeutische Übungen zu integrieren. proxomed-Trainingsexperte Rudi Hünig erklärt, was das bringt und wie es funktioniert.
Muskel- und Kreislaufschwäche, Atemprobleme, andauernde Müdigkeit und Stimmungstiefs bis hin zur Depression: Diese Symptome kennen viele Menschen, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben. Vor allem nach einer Erkrankung mit mittlerem oder schwerem Verlauf sowie bei Long-Covid-Patientinnen und -Patienten führt die oft monatelange Immobilität dazu, dass die körperliche Belastbarkeit stark nachlässt.
Von dieser Degeneration sind dann sämtliche motorischen Fähigkeiten betroffen: Kraft und Ausdauer ebenso wie Beweglichkeit und Koordination. Auch der Atemapparat zeigt sich meist geschwächt: Die Atmung ist flach und fällt schwer, und durch die Beeinträchtigung der Lunge wird auch die Muskulatur nicht genügend mit Sauerstoff versorgt. Sie kann also nicht optimal arbeiten.
Die Medizin tut sich jedoch nach wie vor schwer, den Betroffenen nachhaltig zu helfen. Denn noch ist nicht erforscht, welche Strukturen im Organismus für die Long-Covid-Symptome verantwortlich sind. Allerdings ist es durchaus möglich, die durch eine (Long-)Covid-Erkrankung entstandenen Defizite im muskuloskelettalen System wieder auszugleichen.
Atemtraining als Basis für den Wiederaufbau
Einig sind sich die meisten Expertinnen und Experten, dass ein sanftes Training für Kreislauf und Muskulatur sowohl in der Post-Covid-Phase als auch bei Long Covid hilfreich sein kann. „Es geht in erster Linie darum, muskuläre und kardiopulmonale Defizite auszugleichen – sei es in einer Rehaklinik oder in der physiotherapeutischen Praxis“, sagt Rudolf Hünig, Sporttherapeut und Produktschulungsexperte bei proxomed. „Hierbei müssen wir unbedingt auch die Atmung mit einbeziehen, denn auch die Lungen sind bei Long Covid meist beeinträchtigt.“
Die Frage ist also, wie man für die betroffenen Patienten das Training so gestaltet, dass neben Kreislauf und Muskulatur auch die Atmung gezielt trainiert wird. „Atemübungen lassen sich ganz wunderbar ins Wiederaufbautraining an den Geräten integrieren“, erklärt Hünig. „Dabei schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Atmung wird wieder freier und leichter, und gleichzeitig hilft die richtige Atemtechnik, das Training mit Erfolg zu absolvieren. Bei vielen Menschen nach Corona-Infektion wird nämlich das Training durch die entsprechenden Atemtechniken überhaupt erst möglich.“
Praktische Übungen aus der MTT-Atemtherapie von Rudi Hünig, Sporttherapeut und Produktschulungsexperte bei proxomed
Im Fokus des Kraft- und Ausdauertrainings, das auch die Atmung unterstützt, steht die Erweiterung des Brustkorbs. Diese führt dazu, dass wieder mehr Luft in die Lungen strömen kann. Die Muskulatur wird besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, und gleichzeitig wird die Lunge selbst trainiert.
Die medizinische Trainingstherapie (MTT) wird mit der individuell angepassten Intensität beispielsweise an den compass-Geräten durchgeführt und sollte mit einer bewussten Atemtechnik absolviert werden.
Um das bestmögliche Atemtraining am Gerät zu erreichen, sollte die Ausatmung stets in der konzentrischen Belastungsphase erfolgen – optimalerweise mithilfe der Lippenbremse (siehe Infokasten). Eingeatmet wird in der exzentrischen Belastungsphase durch die Nase – möglichst als Bauchatmung.
In der Pause zwischen den einzelnen Sets ist es hilfreich, den Kutschersitz oder die Torwartstellung einzunehmen. Die beiden in der Atemtherapie anerkannten Entlastungspositionen dienen dazu, die Atmung zu erleichtern.
Die Lippenbremse
ist eine Atemtechnik, die bei Erkrankungen des Bronchialsystems die Atmung trainiert und erleichtert. Man legt die Lippen locker aufeinander und atmet gegen den dadurch leicht erhöhten Widerstand durch den Mund aus. Hierdurch entsteht ein leichter Luftrückstau. Der Druck in den Bronchien wird auf sanfte Weise etwas erhöht. Die Atmung verbessert sich, außerdem kann mehr Schleim abtransportiert werden.
Schulterblattfixator
Dieses Gerät sollte auf jeden Fall in das Trainingsprogramm bei Long-Covid integriert werden. Man wählt dabei ein moderates Trainingsgewicht von etwa 30 bis 40 Prozent der Maximalkraft. Die Zeit der Ein- und der Ausatmungsphase kann durch die neu entwickelte Individualkurve optimal gesteuert werden.
Haltungsstabilisator
Auch hier wird die Atemübung in aufrechter Sitzhaltung durchgeführt. Die Lendenwirbelsäule sollte das Rückenpolster sanft berühren, um ein Hohlkreuz zu vermeiden. In dieser aufrechten Haltung wird bei Rückführung der Arme der Brustkorb erweitert, was wiederum die Einatmung erleichtert.
Rumpfstrecker
Ein weiteres wichtiges Gerät im Rahmen der MTT-Atemtherapie. Um die Atmung bestmöglich zu unterstützen, sollte die Wirbelsäule in der Extensionsphase segmental aufgerollt werden. Dabei hängen die Arme locker neben dem Oberkörper und werden während des Aufrichtens in die Außenrotation bewegt. Bei dieser Übung kann eine optimale Streckung der Brustwirbelsäule erreicht werden, wodurch der Brustkorb geöffnet und damit die Einatmung erleichtert wird.
Beinpresse (Funktionsstemme)
Zwar wirkt das Muskeltraining für die unteren Extremitäten nicht direkt auf die Atmung, doch die Kraft in den Beinen ist für alle Belastungen des Alltags nötig – sei dies Aufstehen vom Stuhl oder Sofa, Treppensteigen oder Spazierengehen. Gerade die Beinmuskeln sind nach längerer Bettlägerigkeit und Bewegungsmangel meist besonders geschwächt.
- Unser Experte Rudolf Hünig hat Ihnen die wichtigsten Geräte und Übungen auch nochmals in einem Video zusammengefasst.
- In der nächsten Ausgabe von proxovision erfahren Sie, wie die Atmung nach einer Covid-Erkrankung noch weiter unterstützt werden kann – durch Dehnung und Mobilisation der Brustwirbelsäule sowie durch moderates Ausdauertraining.