Der Personalmangel hat auch die Physiotherapie-Branche erfasst. Ob eine Praxis die passenden Mitarbeiter findet, liegt heute nicht mehr nur am Ort und den Arbeitsbedingungen. Eine große Rolle spielen auch attraktive Extras – und eine professionelle Strategie für die Mitarbeitergewinnung. Teil 1 unseres Recruiting-Specials.
Das Telefon klingelt den ganzen Tag: „Ich hab ein Rezept für Physiotherapie. Hätten Sie zeitnah einen Termin für mich?“ Was in jeder Physiopraxis erfreulicher Alltag sein könnte, entwickelt sich mehr und mehr zum Problem. Denn gutes Personal ist rar, und häufig müssen Termine aufgeschoben oder gar abgesagt werden.
Die zentrale Frage lautet daher für viele Praxen: Wie komme ich an gute Mitarbeiter? Längst reicht es nicht mehr aus, eine Anzeige in der Lokalzeitung zu schalten. „Der Markt ist vollkommen auf den Kopf gestellt“, sagt Ralf Jentzen, Unternehmensberater für Physiotherapiepraxen. „Früher gab es fast überall mehr Bewerber als Stellen. Das hat sich in den letzten Jahren total verändert und der Wettbewerb um Mitarbeiter ist wirklich extrem.“
Markenentwicklung und klare Strategie
Das heißt: Wer heute qualifizierte Mitarbeiter finden möchte, braucht eine klare Strategie der Personalsuche: „Hier muss man wirklich professionell vorgehen“, so Jentzen. „Sie wollen ja nicht irgendwelche Leute, sondern Mitarbeiter, die zu den Anforderungen der Praxis und zu Ihrem Qualitätsanspruch passen.“
Genau da aber liegt häufig das Problem: Die wenigsten Inhaber von Physiopraxen haben je über eine professionelle Strategie zur Mitarbeitergewinnung nachgedacht – geschweige denn sich mit der eigenen Markenentwicklung befasst. Diese aber ist die Basis dafür, tatsächlich das richtige Personal zu finden. „In diesem hochdynamischen Markt muss man sich wettbewerbsorientiert bewegen“, betont Ralf Jentzen. „Das heißt in erster Linie ganz klar die Zielgruppe zu definieren. Die ist bei einer Praxis mit neurologischem Schwerpunkt eine ganz andere als etwa in einer chirurgisch-orthopädisch orientierten Praxis oder in einer Kinderpraxis. Wenn ich meine Zielgruppe gut kenne, kann ich auch zielgruppenorientiert Mitarbeiter suchen.“
Was macht die Praxis attraktiv für Mitarbeiter?
Da heute Tausende Physiopraxen um Mitarbeiter buhlen, muss man sich gegenüber den Mitbewerbern abgrenzen und die eigenen Pluspunkte und Extras in den Fokus stellen. Die zentrale Frage lautet hierbei: Warum bin ich attraktiv für Mitarbeiter? Was macht meine Praxis so besonders, dass die Menschen hier gerne arbeiten wollen? Was sind die Vorteile, wenn jemand bei uns arbeitet?
- Interessanter Aufgabenbereich
- Attraktives Gehalt, evtl. mit Sonderleistungen
- Hochmoderne Praxisausstattung
- Flexible Arbeitszeiten („Bestimme Deine Arbeitszeit selbst“)
- Durchgängig besetzte Rezeption („Konzentriere Dich auf die Therapie“)
- Einarbeitungszeit durch Chefin/Chef oder durch persönlichen Mentor/Mentorin
- Regelmäßige interne und externe Fortbildungen
- Supervision für schwierige Fälle/bei Belastung
- Übernahme von Fortbildungskosten, Fahrtkosten, Reisekosten usw.
- Übernahme von Kinderbetreuungskosten
- Hilfe bei Umzug/Wohnungshilfe mit Umzugspauschale (absetzbar)
- Attraktive Lage der Praxis
- Aktives Training (Geräte) auch für Mitarbeitende
- Handyvertrag mit Flatrate als Begrüßungsgeschenk
- Persönliches Tablet („Wir arbeiten digital: Eigenes Tablet zur Befundung und Dokumentation“)
- Regelmäßige Firmen-Events
- Gratis Kaffee, Tee und Obst
Dies sind nur einige Beispiele dafür, was eine Physiopraxis für künftige Mitarbeiter attraktiv macht. Jede Praxis hat da ihre eigenen Besonderheiten. Dazu gehören Details, was eine Praxis Patientinnen und Patienten anbietet, nicht in die Mitarbeitersuche. Hierzu werden die Interessenten auf die Website verwiesen.
Professionelle Website als Visitenkarte
Wer heute eine Stelle als Physiotherapeutin oder Physiotherapeut sucht, ist meist zwischen 20 und 30 Jahre alt, blättert also eher nicht in lokalen Anzeigenblättern. „Bewerber suchen heute digital“, sagt Ralf Jentzen. Wie immer der erste Schritt aussieht, landen sie dann fast immer auf der Website der jeweiligen Physiopraxis. Und da scheidet sich schnell die Spreu vom Weizen: Eine alte Website, die sich dem Smartphone-Format nicht anpasst und noch dazu laienhaft gestaltet ist, vermittelt keinen guten Eindruck und wird schnell weggeklickt.
Dagegen ist eine moderne, gut gemachte Website die ideale Visitenkarte einer Physiopraxis. Sie sollte professionell für Suchmaschinen optimiert sein (SEO). „Google ist auch ein Recruiting-Kanal“, betont Ralf Jentzen. „Das heißt: Bewerber suchen durchaus auch über Google. Deshalb sollte die Website nicht nur auf Patienten ausgerichtet sein, sondern auch auf die Ansprüche möglicher Bewerber.“
Eigene Bewerberseite mit Kontaktmöglichkeit
Für die Personalsuche empfiehlt sich auf jeden Fall eine eigene Jobseite im Internetauftritt. Ganz oben sollten die Begriffe „offene Stelle“, „Physiotherapie“ und der jeweilige Ort stehen, um in den Suchmaschinen gut gefunden zu werden. Schöne Bilder und Videos erhöhen noch die Attraktivität. Wichtig ist auch, dass mögliche Mitarbeiter unkompliziert mit der Praxis in Kontakt kommen und vielleicht sogar Bewerbungsunterlagen hochladen können. Besonders elegant: ein Bewerbungsformular, das sich schnell und leicht ausfüllen und mit einem Klick übermitteln lässt – begleitet von einem Button: „Bewerben Sie sich jetzt!“
Auch Social Media gehören nach Einschätzung des Experten unbedingt zu einem sinnvollen Marketingmix für die Mitarbeiterakquise – auch wenn sie keinesfalls die einzig ideale Lösung sein können. „Außerdem sind Social Media in den letzten Monaten sehr intensiv von spezialisierten Agenturen bearbeitet worden und deswegen nicht mehr so ergiebig wie zu Beginn“, erklärt Jentzen. Wichtig ist auf jeden Fall die professionelle Gestaltung und regelmäßige Pflege des jeweiligen Accounts, denn häufig ist dieser für Bewerber der erste Kontakt zur Praxis. Die Attraktivität als Arbeitgeber sollte also auch hier erkennbar sein.