Auch wenn die Patienten momentan Schlange stehen: Keine Physiotherapie-Praxis sollte auf professionelles Marketing verzichten – gerade angesichts der ungewissen Aussichten im Gesundheitswesen. Ein gut durchdachter Marketingplan kann den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen. Denn wer langfristig die richtigen Zielgruppen anlocken möchte, muss seine Ziele kennen und das eigene Angebot klar und zielgruppengerecht präsentieren.
„Ich kenne Physios mit einer neuen Praxis, da steht der Marketingplan, bevor die Farbe an der Wand ist. Bei anderen dagegen beschränkt sich das Marketing auf eine Zeitungsanzeige pro Jahr“, beobachtet Thomas Fehrmann, Coach und Marketingberater bei proxoconsult. Wie engagiert und wie umfangreich sich Praxisinhaber dem Marketing widmen, kann also sehr unterschiedlich sein. Gerade bei kleineren Praxen, die sehr gut laufen, zeigt sich oft gar nicht die Notwendigkeit, sich mit der Vermarktung der eigenen Angebote zu befassen.
Wozu professionelles Marketing?
Allerdings ist momentan schwer abzusehen, ob sich künftig mit Kassenrezepten noch genügend Geld verdienen lässt, um mit einer Physiotherapie-Praxis über die Runden zu kommen: „Die Praxen sind zwar voll, aber das Geld, das die Kassen bezahlen, deckt häufig nicht die Kosten“, sagt Fehrmann. „Es gilt also die Effizienz und damit das Einkommen zu steigern, ohne mehr Patienten zu behandeln – denn die könnte man ja gar nicht bedienen.“ Für die Zukunft heißt dies möglicherweise, dass vor allem Praxen florieren werden, die es schaffen eine lukrative Nische zu besetzen.
Wie entsteht ein Marketingplan?
Der erste Schritt auf dem Weg zu wirkungsvollem Marketing ist also immer eine Standortbestimmung: Wofür stehe ich? Was genau biete ich meinen Patientinnen und Patienten an? Worauf kann man sich bei uns verlassen? Was sind die Markenzeichen, die meine Praxis unverwechselbar machen? Auch selbstkritische Fragen sollte man sich in dieser Phase durchaus stellen: Was glaube ich, was die Patienten über mich denken – und was denken sie wirklich? Wofür möchte ich stehen – und wofür stehe ich tatsächlich? Was sind meine Ziele – und wo befinde ich mich auf dem Weg dorthin?
In diesem Prozess zeigt sich immer wieder, dass Wunsch und Realität auch auseinanderklaffen können. „Ich empfehle deshalb in jedem Fall, sich professionelle Beratung von außen zu holen“, betont Thomas Fehrmann. „So erhält man einen frischen und neutralen Blick auf das eigene Unternehmen und kann von einer soliden Basis aus starten.“ Für einen guten Start ins Marketing braucht es meist keinen mehrtägigen Workshop. Häufig genügt schon ein gemeinsamer Tag plus Nachbearbeitung, um zielgerichtet loslegen zu können. Empfehlungen vor Ort weisen oft den Weg zu passenden Beratern. Wichtig ist dabei neben Professionalität auch, dass die Chemie stimmt.
Wie sehen meine langfristigen Ziele aus?
Nach einer ersten Standortbestimmung geht der Blick in die Zukunft. Das heißt, man befasst sich ausgiebig mit der eigenen Zielsetzung und der gewünschten Praxis-Identität: Wo soll es hingehen? Wo möchte ich in zwei, fünf oder zehn Jahren stehen und wofür soll man mich und meine Praxis dann kennen? „Diese Ziele sind so vielfältig wie die Praxiswelt in Deutschland“, sagt Fehrmann. „Fast alle Praxen sind jedoch mit der Frage konfrontiert, wie sie ihre Patientinnen und Patienten auch mit Leistungen bedienen können, die über das wiederholte Standardrezept hinausgehen.“
Aktive Therapie wird also künftig ein großes Thema sein, das auch in einen Marketingplan einfließen sollte. Die Frage lautet dabei: Wie bekomme ich meine Patienten von der Bank ans Gerät? Also: Wie kann ich sie animieren, nach der Rezeptphase zu bleiben und für weitere Angebote zu bezahlen? „Viele Patienten würden für ihre Gesundheit durchaus auch Geld investieren“, so Fehrmann. „Aber viele Praxisinhaber müssen erstmal ihre Scheu vor dem Verkaufen überwinden.“ Gezieltes Marketing kann hierbei helfen.
Wer ist eigentlich meine Zielgruppe?
Wenn die künftige Ausrichtung der Praxis klar herausgearbeitet wurde, lassen sich auch die Zielgruppen klar definieren. Denn je nachdem, ob man junge oder ältere, eher Kassenpatienten oder mehr Selbstzahler, ein städtisches oder ländliches Publikum ansprechen möchte, wird die Wahl der Marketingmaßnahmen unterschiedlich ausfallen. Dabei kann es sich genauso lohnen, den bestehenden Patientenstamm mit attraktiven Angeboten an die Praxis zu binden, wie auch neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Auch Ärztinnen und Ärzte sowie künftige Teammitglieder können durch gutes Marketing angesprochen werden.
Wie finde ich die passenden Marketinginstrumente?
Klar ist also: Eine wirklich effektive Marketingstrategie lässt sich erst entwickeln, wenn Ausgangssituation, Ziele und Zielgruppe(n) klar definiert sind. Nur so kann Werbung genau jene erreichen, die für den gewünschten Umsatz sorgen. „Eine kleine Praxis ohne Geräte, die hauptsächlich passive Leistungen anbietet, braucht eine ganz andere Strategie als eine Praxis mit großem Gerätepark, die den Selbstzahlerbereich ausbauen möchte“, betont Thomas Fehrmann.
In jedem Fall aber gilt: Im Mittelpunkt des Marketings – egal ob analog oder digital, ob in kleinem Rahmen oder als großer Wurf – stehen immer die Leistungen der Praxis. Auf einen Blick oder Klick soll ersichtlich sein, wie das Praxisangebot den Patientinnen und Patienten bei ihrer speziellen Problematik helfen kann.
Wie umfangreich das künftige Marketing ausfällt und welche Marketinginstrumente man auswählt, hängt zunächst einmal von den Möglichkeiten der jeweiligen Praxis ab – sowohl was den Zeit- und Personalaufwand als auch was die technischen und finanziellen Ressourcen angeht. Wer sich beispielsweise für eine ausgeklügelte Social-Media-Strategie entscheidet, sollte sich bewusst sein, dass es Zeit und auch Kenntnisse braucht, diese kontinuierlich umzusetzen. „Häufig zeigt erst die strukturierte Planung, dass manche Ressourcen gar nicht da sind“, sagt Thomas Fehrmann. Wenn es an technischem Know-how mangelt, kann man natürlich auch auf externe Dienstleister zugreifen, sofern der finanzielle Spielraum der Praxis dies zulässt.
Folgende Marketinginstrumente empfehlen sich für Physiopraxen:
- Eine professionelle Website
- Ein gut gemachter Social-Media-Auftritt
- Praxisschild, Briefpapier und Visitenkarten
- Broschüren/Flyer
- Lokale Werbung (vor allem in ländlichen Gebieten)
- Branchenbücher und Bewertungsportale
Beste Effizienz bei den sozialen Medien
„Die kalten fiesen schwarzen Zahlen zeigen, dass die Website heute häufig nur noch der Beleg ist, dass das Unternehmen existiert“, sagt Thomas Fehrmann. „Die Website muss gut aufgebaut sein und gut aussehen. Gefunden wird man aber über Social Media und Bewertungsportale wie etwa jameda. Da scrollt man mal so beim Frühstück durch – und wenn der Auftritt oder Post gut gemacht ist, bleibt die Praxis im Hinterkopf. Wenn dann irgendwann mal der Bedarf akut ist, wird danach gesucht – und dann finden die Leute auch die Website, um sich weiter zu informieren. Die Effizienz ist bei den sozialen Medien wirklich hervorragend, wenn man sie richtig einsetzt.“ (Mehr dazu in der nächsten Ausgabe von proxovision.)
In einigen Bereichen erreicht man jedoch auch heute noch mit lokaler Werbung die gewünschten Zielgruppen. Vor allem in ländlichen Gebieten, wo sich viele Menschen mit ihren lokalen Tageszeitungen oder Anzeigenblättern identifizieren, kann auch eine Anzeige oder ein klassischer DIN-A4-Flyer das richtige Instrument sein – vorausgesetzt, die Werbung ist gut gemacht.
Weitere Marketinginstrumente:
Je nach Zielgruppe, Angebot und Standort der Praxis kann man noch weitere Marketinginstrumente einsetzen. Diese sind nicht unbedingt notwendig, können aber durchaus einen Nutzen bringen:
- Promotion-Aktionen
- E-Mail-Newsletter
- Radiowerbung
- Werbeartikel (Merchandising) wie etwa Trinkflaschen, Handtücher, T-Shirts u. ä.
- Werbebanner
- Fahrzeugbeschriftungen
- Teamkleidung
Auch wenn die Palette möglicher Marketinginstrumente bunt und vielfältig ist, sollte sie nicht nach dem Zufallsprinzip eingesetzt werden. Besser eine kleine, gut durchdachte Strategie mit begrenzten Mitteln als ein Sammelsurium an Einzelaktionen, die an der Zielgruppe ebenso vorbeigehen wie an den eigenen Geschäftsinteressen. Je konkreter die Ziele gefasst und die Mittel gewählt wurden, desto einfacher lässt sich später überprüfen, ob die Maßnahmen auch die gewünschten Effekte erzielt haben.
Übrigens lohnt sich ein Marketingplan auch für Praxen, die aktuell gut laufen und keine weiteren Patienten generieren wollen. Mit kontinuierlichem Marketing lässt sich nämlich ein positives Image aufbauen, das auch hilfreich ist, wenn die Praxis einmal an die nächste Generation übergeben oder verkauft werden soll. Außerdem ist momentan nicht abzusehen, wohin die Gesundheitsbranche steuert. Falls sich die Situation einmal ändert und man schnell neue Kundenkreise erschließen muss, kann es nicht schaden, einen Marketingplan in der Schublade zu haben. Und dieser Plan sollte auch wirklich flexibel sein.