Elektrotherapie in der Logopädie: Innovative Ansätze bei Larynx- und Fazialisparesen

Immer mehr Studien belegen: Elektrotherapie kann bei Lähmungen im Hals- und Kopfbereich sehr positive Wirkungen erzielen. Insbesondere bei Schädigung der Kehlkopf- oder Gesichtsnerven sowie bei Sprech- und Schluckbeschwerden zeigt sich ihr großes Potenzial. Erfahren Sie, wie sich durch Reizstromtherapie das therapeutische Spektrum der logopädischen Praxis erweitern lässt – evidenzbasiert, innovativ und sicher.

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Wichtiger Unterschied: Periphere und zentrale Lähmungen

Um gezielt und wirkungsvoll therapieren zu können, gilt es zunächst zwischen peripheren und zentralen Lähmungen zu unterscheiden: Periphere Lähmungen sind meist Folgen von Operationen, Verletzungen oder Infektionen der peripheren Nerven und/oder Muskeln im jeweiligen Körperbereich. So können Larynx- und insbesondere Rekurrensparesen (Lähmungen der Stimmbänder) nach Schilddrüsenoperationen oder auch nach großen Herz-OPs auftreten. Eine Fazialisparese (Lähmung des Gesichtsnervs) kann beispielsweise die Folge einer Virusinfektion oder von Verletzungen oder Operationen im Kopfbereich sein. Am häufigsten tritt die Störung jedoch idiopathisch auf, also ohne erkennbare Ursache.

Zentrale Lähmungen werden dagegen durch Schädigungen des zentralen Nervensystems verursacht, etwa durch einen Schlaganfall, Hirnblutung oder entzündliche Prozesse im Gehirn. Hier ist also eine Schädigung im Gehirn dafür verantwortlich, dass der Muskel nicht mehr richtig angesteuert werden kann. Jan Faust erklärt: „Das ist wie beim Computer: Die Maus funktioniert, das Kabel ist in Ordnung, aber die Festplatte hat einen Fehler. Dagegen ist es bei der peripheren Lähmung so, wie wenn am Computer das Kabel durchgeschnitten ist oder einen Wackelkontakt hat, Festplatte und Software aber in Ordnung sind.”

In beiden Fällen kann es durch längere Inaktivität zu einer für den Regenerationsprozess ungünstigen Rückbildung der Muskulatur (Muskelatrophie) kommen. Mit professioneller Elektrotherapie kann man sowohl bei peripheren als auch bei neurologischen Lähmungen Abhilfe schaffen. Allerdings sind unterschiedliche diagnostische Ansätze und Behandlungsstrategien notwendig – basierend auf der jeweiligen Ursache und dem Ort der Nervenschädigung.

Angeleitete Diagnostik als Basis für erfolgreiche Therapie

Besonders schätzen Ärzte und Logopäden das umfangreiche Diagnostik-Menü des vocaSTIM-Master: Eine genaue Anleitung führt Anwender Schritt für Schritt durch die Reizstrom-Diagnostik. Hierbei gibt das Gerät beispielsweise exakte Anweisungen, wo die Elektroden anzulegen sind und wie genau man misst, um die diagnostischen Werte – allen voran den Schädigungsgrad der Lähmung – zu ermitteln. Diese Werte werden dann automatisch ins Therapie-Menü übertragen und der Therapeut oder die Therapeutin muss nur noch die Indikation auswählen. Das Gerät ermittelt dann die optimalen Parameter für die Reizstrom-Behandlung und bietet darüber hinaus eine große Auswahl an Stimmübungen an. Außerdem lassen sich individuelle Patientendaten und -programme abspeichern.

Grafik: PHYSIOMED

Die richtigen Impulse für jede Indikation

Die exakte Diagnostik hat bedeutende Konsequenzen für die nachfolgende Therapie, denn bei einer peripheren Störung kommen andere Ströme zum Einsatz als bei einer zentralen Störung. So gilt bei peripheren Lähmungen: Je schwerer die Schädigung, desto länger müssen die Impulse sein, um eine Kontraktion des Muskels auszulösen. Zur Elektrotherapie im Bereich der Neurorehabilitation, etwa bei Dysarthrie oder Dysphagie, nutzt man häufig anhaltende Ströme mit sehr kurzen Impulsen (z. B. faradischer Strom, 50 Hz), um dauerhafte Muskelkontraktionen auszulösen und so den Bewegungsablauf bestmöglich zu unterstützen. „In der klassischen Lähmungstherapie, also bei peripheren Schädigungen, funktioniert dies dagegen nicht, da ein gelähmter Muskel auf derart kurze Impulse nicht mehr anspricht“, erklärt Jan Faust. „Hier braucht man häufig breite Einzelimpulse von 100 oder 200 Millisekunden, um überhaupt eine Muskelkontraktion zu erreichen.“

Wichtig für Logopädinnen und Logopäden: Professionelle Schulung nötig

Anders als in der Physiotherapie ist die Elektrotherapie in der Ausbildung von Logopäden nicht fest verankert. Da die Anwendung von Reizstrom aber insbesondere im Hals- und Kopfbereich genaues Fachwissen erfordert, schreibt die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) Schulungen vor: Logopäden müssen spezielle Fortbildungen absolvieren, um Elektrotherapie anwenden zu dürfen. In Deutschland bieten Carsten Kroker und Jan Faust solche Schulungen an, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fertigkeiten im Umgang mit vocaSTIM vermitteln. „Wer die Wirkprinzipen einmal erfasst und selbst erlebt hat, wird auf Elektrotherapie in der Logopädiepraxis nicht mehr verzichten wollen“, sagt Faust. „Wir können damit tatsächlich Muskel- und Nervenbereiche ansprechen, die man mit den Übungen der klassischen Logopädie nicht erreicht. Somit bietet die Integration der Elektrotherapie in die logopädische Praxis vielversprechende Perspektiven für die Zukunft der Sprech-, Stimm- und Schluckrehabilitation.“

vocaSTIM-Master

Das vocaSTIM-Master ist zurzeit als einziges Elektrotherapiegerät auf dem europäischen Markt nach der neuen Medizingeräteverordnung (MDR) für den Einsatz bei Lähmungen im Hals- und Kopfbereich zugelassen und wird sehr gern auch von HNO-Ärzten und in der neurologischen Reha eingesetzt. Das Vorgängermodell vocaSTIM wurde um wichtige Funktionen erweitert, welche die Therapie noch einfacher und effizienter machen, etwa neue Ströme für funktionale und natürliche Schluckbewegungen, die innovative Zweikanaltechnik, der Handtaster für aktive/synchronisierte Stimulation sowie ein farbiges Touch Display mit verbesserter Bedienführung. Sehr hilfreich ist auch ein integrierter Audioplayer für Ton- und Sprechübungen.

 

Veröffentlicht am 17.06.2024