Immer mehr Studien belegen: Elektrotherapie kann bei Lähmungen im Hals- und Kopfbereich sehr positive Wirkungen erzielen. Insbesondere bei Schädigung der Kehlkopf- oder Gesichtsnerven sowie bei Sprech- und Schluckbeschwerden zeigt sich ihr großes Potenzial. Erfahren Sie, wie sich durch Reizstromtherapie das therapeutische Spektrum der logopädischen Praxis erweitern lässt – evidenzbasiert, innovativ und sicher.
Elektrische Ströme können die Durchblutung fördern, Muskeln zur Kontraktion anregen, die Nervenleitfähigkeit verbessern und Schmerzen lindern. Diese und viele weitere positive Effekte der Elektrotherapie nutzt die Physiotherapie bereits seit vielen Jahrzehnten. In der Logopädie dagegen fristet die Elektrotherapie noch ein Nischendasein, obwohl die Wirkung wissenschaftlich bestens belegt ist. „Vor allem bei Schluckstörungen sowie bei Lähmungen des Kehlkopfs und der Stimmbänder zeigen viele Studien, dass Elektrostimulation sehr schnell deutliche Verbesserungen bringen kann“, sagt Jan Faust, Logopäde am Helios Klinikum in Krefeld und Co-Autor des Fachbuchs „Leitfaden zur Elektrotherapie in der Logopädie“ (siehe Kasten). „Die Daten und unsere jahrelange Erfahrung belegen auch, dass Elektrotherapie – vor allem in Verbindung mit Sprech- und Schluckübungen – meist effektiver ist als reine Übungstherapie“, so Faust weiter.
Wichtiger Unterschied: Periphere und zentrale Lähmungen
Um gezielt und wirkungsvoll therapieren zu können, gilt es zunächst zwischen peripheren und zentralen Lähmungen zu unterscheiden: Periphere Lähmungen sind meist Folgen von Operationen, Verletzungen oder Infektionen der peripheren Nerven und/oder Muskeln im jeweiligen Körperbereich. So können Larynx- und insbesondere Rekurrensparesen (Lähmungen der Stimmbänder) nach Schilddrüsenoperationen oder auch nach großen Herz-OPs auftreten. Eine Fazialisparese (Lähmung des Gesichtsnervs) kann beispielsweise die Folge einer Virusinfektion oder von Verletzungen oder Operationen im Kopfbereich sein. Am häufigsten tritt die Störung jedoch idiopathisch auf, also ohne erkennbare Ursache.
Zentrale Lähmungen werden dagegen durch Schädigungen des zentralen Nervensystems verursacht, etwa durch einen Schlaganfall, Hirnblutung oder entzündliche Prozesse im Gehirn. Hier ist also eine Schädigung im Gehirn dafür verantwortlich, dass der Muskel nicht mehr richtig angesteuert werden kann. Jan Faust erklärt: „Das ist wie beim Computer: Die Maus funktioniert, das Kabel ist in Ordnung, aber die Festplatte hat einen Fehler. Dagegen ist es bei der peripheren Lähmung so, wie wenn am Computer das Kabel durchgeschnitten ist oder einen Wackelkontakt hat, Festplatte und Software aber in Ordnung sind.”
In beiden Fällen kann es durch längere Inaktivität zu einer für den Regenerationsprozess ungünstigen Rückbildung der Muskulatur (Muskelatrophie) kommen. Mit professioneller Elektrotherapie kann man sowohl bei peripheren als auch bei neurologischen Lähmungen Abhilfe schaffen. Allerdings sind unterschiedliche diagnostische Ansätze und Behandlungsstrategien notwendig – basierend auf der jeweiligen Ursache und dem Ort der Nervenschädigung.
vocaSTIM-Master: Innovative Elektrotherapie für die Logopädie
Bei der klassischen Elektrotherapie regt man einen gelähmten Muskel durch elektrische Stromimpulse zur Kontraktion an, was in der Physiotherapie seit Jahrzehnten Standard ist. Für die Logopädie eignen sich die herkömmlichen Elektrotherapiegeräte allerdings nicht, denn im Gesicht und im Halsbereich sind die Muskeln kleiner und die Nerven verlaufen teilweise direkt unter der Haut. Daher sind spezielle Elektroden und feine Justierungen der Stromparameter notwendig, wie sie das vocaSTIM-Master von PHYSIOMED bereithält. Das innovative Elektrotherapiegerät wurde speziell für die Anwendung in der Logopädie entwickelt. Es ermöglicht die präzise Diagnostik sowie eine gezielte und effektive Therapie von Muskel- und Nervenstörungen im Gesichts- und Halsbereich. Die regelmäßige Anwendung der vocaSTIM-Therapie stärkt die Muskulatur, unterstützt den Erhalt der Muskelmasse und fördert die Nervenregeneration. Durch die Elektrostimulation lässt sich beispielsweise die Schluckfähigkeit unmittelbar beeinflussen, was für Betroffene häufig mit einer Steigerung der Lebensqualität einhergeht.
In der Logopädie empfiehlt sich Elektrotherapie mit vocaSTIM-Master bei:
- Larynx-/Rekurrensparesen (Lähmungen der Kehlkopfnerven / der Stimmbänder)
- Fazialisparesen (Lähmungen der Gesichtsmuskulatur)
- Hypoglossusparese (Lähmung der Zungenmuskulatur)
- Dysarthrie (Störung der Artikulation/Sprechmuskulatur)
- Dysphagien (Schluckstörungen)
Angeleitete Diagnostik als Basis für erfolgreiche Therapie
Besonders schätzen Ärzte und Logopäden das umfangreiche Diagnostik-Menü des vocaSTIM-Master: Eine genaue Anleitung führt Anwender Schritt für Schritt durch die Reizstrom-Diagnostik. Hierbei gibt das Gerät beispielsweise exakte Anweisungen, wo die Elektroden anzulegen sind und wie genau man misst, um die diagnostischen Werte – allen voran den Schädigungsgrad der Lähmung – zu ermitteln. Diese Werte werden dann automatisch ins Therapie-Menü übertragen und der Therapeut oder die Therapeutin muss nur noch die Indikation auswählen. Das Gerät ermittelt dann die optimalen Parameter für die Reizstrom-Behandlung und bietet darüber hinaus eine große Auswahl an Stimmübungen an. Außerdem lassen sich individuelle Patientendaten und -programme abspeichern.
Die richtigen Impulse für jede Indikation
Die exakte Diagnostik hat bedeutende Konsequenzen für die nachfolgende Therapie, denn bei einer peripheren Störung kommen andere Ströme zum Einsatz als bei einer zentralen Störung. So gilt bei peripheren Lähmungen: Je schwerer die Schädigung, desto länger müssen die Impulse sein, um eine Kontraktion des Muskels auszulösen. Zur Elektrotherapie im Bereich der Neurorehabilitation, etwa bei Dysarthrie oder Dysphagie, nutzt man häufig anhaltende Ströme mit sehr kurzen Impulsen (z. B. faradischer Strom, 50 Hz), um dauerhafte Muskelkontraktionen auszulösen und so den Bewegungsablauf bestmöglich zu unterstützen. „In der klassischen Lähmungstherapie, also bei peripheren Schädigungen, funktioniert dies dagegen nicht, da ein gelähmter Muskel auf derart kurze Impulse nicht mehr anspricht“, erklärt Jan Faust. „Hier braucht man häufig breite Einzelimpulse von 100 oder 200 Millisekunden, um überhaupt eine Muskelkontraktion zu erreichen.“
Handtaster für aktive Stimulation
Ein besonders wertvolles Hilfsmittel und in dieser Form einzigartig ist der Handtaster im vocaSTIM-Master, mit dem man in der Lähmungstherapie die einzelnen Stromimpulse mit einer motorischen Aktion synchronisieren kann. Das heißt: Wenn der Patient eine Aktion durchführt, also beispielsweise bei der Stimmübung eine Silbe spricht, löst er gleichzeitig durch Drücken des Handtasters einen Stromimpuls aus. „Wenn wir die willkürliche Absicht des Schluckens oder Sprechens direkt mit der Reizstromapplikation verknüpfen, wird das motorische Lernen unterstützt und die Zielbewegung angebahnt und unterstützt“, erklärt Jan Faust. „Dadurch erreichen wir nicht nur eine motorische Stimulation, sondern schicken auch einen Reiz ans Gehirn. Durch die Verknüpfung der Bewegungsabsicht mit der ‚erzwungenen‘ Muskelkontraktion lässt sich die Neuverschaltung mit dem Gehirn fördern, um den Muskel künftig wieder willkürlich anzusteuern.“
Wichtig für Logopädinnen und Logopäden: Professionelle Schulung nötig
Anders als in der Physiotherapie ist die Elektrotherapie in der Ausbildung von Logopäden nicht fest verankert. Da die Anwendung von Reizstrom aber insbesondere im Hals- und Kopfbereich genaues Fachwissen erfordert, schreibt die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) Schulungen vor: Logopäden müssen spezielle Fortbildungen absolvieren, um Elektrotherapie anwenden zu dürfen. In Deutschland bieten Carsten Kroker und Jan Faust solche Schulungen an, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fertigkeiten im Umgang mit vocaSTIM vermitteln. „Wer die Wirkprinzipen einmal erfasst und selbst erlebt hat, wird auf Elektrotherapie in der Logopädiepraxis nicht mehr verzichten wollen“, sagt Faust. „Wir können damit tatsächlich Muskel- und Nervenbereiche ansprechen, die man mit den Übungen der klassischen Logopädie nicht erreicht. Somit bietet die Integration der Elektrotherapie in die logopädische Praxis vielversprechende Perspektiven für die Zukunft der Sprech-, Stimm- und Schluckrehabilitation.“
vocaSTIM-Master
Das vocaSTIM-Master ist zurzeit als einziges Elektrotherapiegerät auf dem europäischen Markt nach der neuen Medizingeräteverordnung (MDR) für den Einsatz bei Lähmungen im Hals- und Kopfbereich zugelassen und wird sehr gern auch von HNO-Ärzten und in der neurologischen Reha eingesetzt. Das Vorgängermodell vocaSTIM wurde um wichtige Funktionen erweitert, welche die Therapie noch einfacher und effizienter machen, etwa neue Ströme für funktionale und natürliche Schluckbewegungen, die innovative Zweikanaltechnik, der Handtaster für aktive/synchronisierte Stimulation sowie ein farbiges Touch Display mit verbesserter Bedienführung. Sehr hilfreich ist auch ein integrierter Audioplayer für Ton- und Sprechübungen.
Buchtipp: Leitfaden zur Elektrotherapie in der Logopädie
Mit dem Anfang 2024 erschienenen Buch haben Logopädinnen und Logopäden nun ein praxisorientiertes Kompendium zur Elektrotherapie in der Hand. Auf 192 Seiten präsentieren der Lehr- und Forschungslogopäde Jan Faust und seine Kollegen umfangreiches Basis- und Praxiswissen – gut verständlich aufbereitet für die Anwendung in der logopädischen Praxis. Nach einer Einführung in die physikalischen und physiologischen Grundlagen der Elektrotherapie liefern die Autoren auch die Grundlagen für funktionelle Elektrostimulation und transkranielle Gleichstromstimulation. Es folgt sehr ausführlich die Anwendung der Elektrotherapie bei verschiedenen Indikationen: Fazialis- und Larynxparesen, Dysarthrie, Dysphagie, Aphasie und Stottern. Der aktuelle Stand der Forschung zur Elektrostimulation bei den verschiedenen Erkrankungen wird ebenso dargelegt wie Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen. Ergänzt wird das Fachbuch durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis.