Blankoverordnung für Physiotherapie: Worauf Sie jetzt achten müssen

Ab 1. November 2024 können Ärztinnen und Ärzte Blankoverordnungen für physiotherapeutische Behandlungen ausstellen – zunächst allerdings nur für ausgewählte Diagnosen im Schulterbereich. Was das für Physiotherapeutinnen und -therapeuten bedeutet und wie es mit der Blankoverordnung weitergeht, fragten wir Edgar Lerch, den Vorstandsvorsitzenden des VDB-Landesverbandes Niedersachsen und Bremen.

» Warum wurde die Blankoverordnung zunächst nur für 114 Diagnosen im Schulterbereich genehmigt?

Dieser erste Schritt dient der Abstimmung zwischen den Leistungserbringerverbänden und den GKV als Einstieg in ein ab 2027 weiter zu vereinbarendes Projekt gemäß dem Terminservice- und Versorgungsgesetz. Auf lange Sicht ist dies ein möglicher Weg für einen direkten Zugang zu Heilberufen. Dies würde bedeuten, dass Patientinnen und Patienten dann auch ohne ärztliche Verordnung physiotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen können.

» Laut neuem Vertrag sind die Physiotherapeuten für die Wirtschaftlichkeit des gewählten Heilmittels verantwortlich, müssen also dafür sorgen, dass eine unverhältnismäßige Dauer der Behandlung und Anzahl der Behandlungseinheiten je Patient vermieden wird. Wie will man das sicherstellen?

Hier ist die erste Diagnose gemäß Vertrag über die Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung nach § 125 a SGB V sehr wichtig. Wir müssen also die Diagnose sehr genau formulieren und auch den anschließenden Therapieverlauf mit Begründungen der entsprechenden Leistungen und Maßnahmen sehr genau dokumentieren. Den Krankenkassen steht eine Prüfung der veranlassten und abgerechneten Maßnahmen zu, um unverhältnismäßige Mengenausweitungen zu unterbinden. Ich möchte hier noch nicht über mögliche Regressverfahren mit entsprechenden Rückzahlungen nachdenken, was im ärztlichen Bereich schon häufiger vorgekommen ist.

» Wie wird die zusätzliche Arbeit der Physios vergütet?

Hierfür sind drei neue Positionen gelistet: „Physiotherapeutische Diagnose (PD)”, „Bedarfsdiagnostik (BD)” sowie eine „Versorgungsbezogene Pauschale je Blankoverordnung, hier für besonderen Aufwand, Steuerung, Dokumentation und Beratungen”.

» Viele Ärzte sind noch nicht über die neue Möglichkeit der Blankoverordnung in der Physiotherapie informiert. Was können Physios tun, damit ihre Patientinnen und Patienten künftig mehr Blankoverordnungen erhalten?

Hier sollen die kassenärztlichen Vereinigungen ihre Mitglieder zeitnah informieren. Außerdem empfiehlt es sich, dass auch wir Leistungserbringer die Kommunikation mit den ortsansässigen Arztpraxen suchen. Hoffentlich sind bis zum 1. November die Updates der Software-Anbieter für die Arztpraxen durchgeführt.

» Wie geht es weiter: Wann wird die Blankoverordnung für die Physiotherapie weiterer/aller Erkrankungen zugelassen?

Weitere Verhandlungen für andere Körperregionen sind ab 2027 geplant, wobei dann die Auswertungen der aktuellen Umsetzung einbezogen werden sollen.

» Was ist Ihrer Meinung nach jetzt besonders zu beachten?

Es ist mir außerordentlich wichtig, meine Kolleginnen und Kollegen auf eine ausführliche Diagnose mit Planung der Therapie und der Therapieziele hinzuweisen, dies in Verbindung mit einer lückenlosen Dokumentation der Therapieschritte und Begründung der getroffenen Maßnahmen/Behandlungen vor allem im Hinblick auf Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der verursachten Kosten für Leistungen durch die Krankenkassen. Einfach gesagt: Wer schreibt, der bleibt. Sehr hilfreich sind hierbei die notwendige, zertifizierte Digitalisierung der Praxen sowie eine leichte Textverarbeitung durch Spracherkennung mit mobilen digitalen Endgeräten.


Das Gespräch mit Edgar Lerch führte Marion Trutter.

Veröffentlicht am 21.10.2024